Schüleraufträge im Museum
Erfahrungen einer Fachkommission bei der Erarbeitung von Schüleraufträgen im Museum. In: Geschichtsunterricht und Staatsbürgerkunde. 20. Jahrgang. Heft 7. Volk und Wissen Volkseigener Verlag. Berlin 1978. S. 593 – 598.
Erfahrungen einer Fachkommission bei der Erarbeitung von Schüleraufträgen im Museum
Von der Notwendigkeit der Erhöhung der Bildungs- und Erziehungswirksamkeit des Geschichtsunterrichts ausgehend /1/ und angeregt durch die Darlegungen in den Spezialkursen des Museums für Deutsche Geschichte sowie Veröffentlichungen in der Fachpresse /2/, beschäftigen wir uns in der Fachkommission Geschichte des Kreises Riesa seit einigen Jahren damit, Schüleraufträge auszuarbeiten, die von den Schülern selbständig im Heimatmuseum erfüllt werden können und die schon in der Vorbereitung des Lehrers auf die Unterrichtsstunde unter dem Aspekt der erkenntnisprozessgerechten Unterrichtsgestaltung Beachtung finden. Dabei gehen wir davon aus, daß die Erhöhung der geistigen Aktivität der Schüler
„eine der wichtigsten Voraussetzungen (Bedingungen) für eine höhere Qualität des Wissens und Könnens der Schüler, ihrer Überzeugungen, Erkenntnisinteressen sowie der Aneignung der Weltanschauung … ist. Geistige Aktivität ist gleichzeitig Zieleigenschaft bei der allseitigen Persönlichkeitsentwicklung. Denn Wissensdurst, vielseitige Erkenntnisinteressen, schöpferisches Grübeln nach immer besseren Lösungen, geistige Regsamkeit, das sind Eigenschaften, die das Leben … fordert und fördert.“ /3/
Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Begegnung des Schülers mit den historischen Sachzeugen nicht nur das Interesse des Schülers am Unterrichtsgegenstand weckt und seine Vorstellungsbildung stärker entwickelt, sondern auch die Lehrer in die Lage versetzt, den unterrichtlichen Erkenntnisprozess besser zu führen und bewusst im Sinne eines erziehungswirksameren Geschichtsunterrichts zu wirken.
Die Erarbeitung von Schüleraufträgen, die der erkenntnisprozessgerechten Unterrichtsgestaltung dienen, ergab sich für uns auch daraus, dass in der Praxis Schüleraufträge häufig nur eine illustrierende Funktion im Unterricht haben und nicht auf wesentliche Lehrplanforderungen ausgerichtet sind.
In den Unterrichtshilfen können Hinweise zur Einbeziehung der Regionalgeschichte nur pauschal gegeben werden, weil die Voraussetzungen in jedem Kreis anders sind. Mit der Erarbeitung derartiger Schüleraufträge wollten wir den Lehrern in ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit Hilfe geben. Es wird jetzt möglich, vom sporadischen und wenig zielgerichteten Einsatz früherer Schüleraufträge abzukommen.
Was ist bei der Einbeziehung der Regionalgeschichte in den Unterricht zu beachten?
Die Bedeutung der Regionalgeschichte besteht darin, dass sie wichtige historische Informationen vermitteln kann und große Potenzen für die politisch-ideologische Erziehung der Schüler enthält. Der Unterricht wird für den Schüler interessanter, die Vorstellungen von den historischen Erscheinungen werden dauerhafter.
Entscheidender Gesichtspunkt ist aber, dass die Schüleraufträge auf wesentliche Lehrplanforderungen gerichtet sein müssen, ja, dass die Erscheinungen der Regionalgeschichte überhaupt nur dann in die Schüleraufträge einbezogen werden, wenn sie die Realisierung wesentlicher Lehrplanziele garantieren. Jede Überbetonung bzw. Verselbständigung der Regionalgeschichte im Unterrichtsprozess muss unbedingt vermieden werden. Die Verantwortung des Lehrers beginnt schon bei der Auswahl des regionalgeschichtlichen Ereignisses. Er muss entscheiden, ob das Ereignis für die nationale Geschichte bedeutsam ist oder nur eine Episode im Rahmen der nationalen Geschichte darstellt. Dabei sehen wir den Wert musealen Materials in folgendem:
- Die in unserem Heimatmuseum gelagerten historischen Sachzeugen haben einen hohen Bildungs- und Erziehungswert für unsere Schüler.
- Wenn die historischen Sachzeugen nach didaktischen Gesichtspunkten für den Unterricht nutzbar gemacht werden, hilft ihr beträchtlicher Anschauungswert den Schülern, tiefer in das Wesen historischer Erscheinungen einzudringen. Der Schüler hat z.B. genügend Zeit, den Gegenstand in Augenschein zu nehmen.
- Die chronologische Anordnung der Gegenstände auf engem Raum bietet den Vorteil der schnellen Überschaubarkeit größerer historischer Zeiträume.
Welchen Anforderungen müssen die Schüleraufträge genügen?
Zunächst muss sich der Lehrer Klarheit über die mögliche inhaltliche und didaktische Funktion der Schüleraufträge in seinem Unterricht verschaffen. Er wird dadurch in die Lage versetzt, die Aufgabenstellung, die Schülertätigkeiten und die organisatorischen Vorbereitungen richtig zu planen.
Die Aufträge müssen so gestaltet werden, dass sie die Tätigkeit des Schülers relativ schnell mobilisieren und zielgerichtet steuern. Durch die Logik der Aufgabenfolge ist zu sichern, dass der Schüler mit größtmöglicher Sicherheit zu dem vom Lehrer angestrebten Ergebnis kommt. Dabei ist eine Aufgliederung in kleinere Denkschritte unumgänglich, durch sie wird der Schüler zum Erkennen des Wesentlichen geführt, jedoch kann bei einer zu starken Gliederung der Aufgabenfolge eine Unterforderung des Schülers eintreten. Es müssen darum besonders bei der Auswahl des Schülers dessen individuelle Voraussetzungen berücksichtigt werden. Das wird durch differenzierte Ausgangs- und Steuerimpulse erreicht:
„Unter Ausgangsimpulsen sind zu verstehen: genaue Ziel-, Problem- und Aufgabenteilung, genaue Anweisungen zur Lösung, genaue Anweisungen zur Erfassung und Kontrolle der Ergebnisse.
Steuerimpulse sind: Teilaufgaben, Aufforderungen, Hinweise und Teilfragen. Der Umfang dieser Impulse … wird … von der Zielstellung, den geforderten Tätigkeiten, den Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler“ /4/ und der Aussagekraft des musealen Materials bestimmt.
Wir gingen bei der Erarbeitung der Aufträge davon aus, dass sie vor allem an solche Schüler gerichtet sein müssen, die noch nicht oft solche Aufgaben im Museum lösten. Die Altersspezifik sollte berücksichtigt und eine Über- bzw. Unterforderung vermieden werden. Der Schüler sollte eine echte Bewährung seines Wissens im Unterricht erleben. Das verstärkt die stimulierende Wirkung der Aufträge, zeigt ihren erzieherischen Effekt. Das bringt u. a. folgende Konsequenzen mit sich:
- Der Schülerauftrag muss im Unterricht einsetzbar sein in der Phase des Aufsteigens vom Konkreten zum Abstrakten. Er kann helfen, Wesentliches hervorzuheben. Das regionalgeschichtliche Beispiel kann z.B. Ausgangspunkt für die Verallgemeinerung sein.
- Der Schülerauftrag kann im Dienst einer problemhaften Unterrichtsgestaltung stehen. Es können z.B. Widersprüche sichtbar gemacht werden zwischen dem im Unterricht erworbenen Wissen der Schüler und Erkenntnissen, zu denen sie bei der Arbeit im Museum gelangt sind. Diese Art des Vorgehens ist von außerordentlich erzieherischem Wert, weil dadurch das Erkenntnisinteresse und die geistige Aktivität aller Schüler stimuliert werden.
Wie sollte man bei der Erarbeitung der Schüleraufträge vorgehen?
In unserer Arbeit hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
- Ausgangspunkt ist immer eine gründliche Lehrplankenntnis. Der Lehrer darf die Aufträge nicht nur unter dem Aspekt der einzelnen Stunde sehen, er muss von den Zielen des Gesamtlehrganges ausgehen.
- Im Vordergrund stehen dann zunächst die Erkenntnisziele, wie sie im Lehrplan für den Jahreslehrgang formuliert sind. Davon ausgehend wird die Sichtung des musealen Materials vorgenommen. Der Lehrer notiert sich im Museum Wesentliches zum Inhalt bzw. zur Aussage des historischen Sachzeugen, fertigt gegebenenfalls Skizzen an, formuliert erste Fragen oder Aufgaben, die sich auf den zu untersuchenden Gegenstand beziehen, schreibt auf, wo der Gegenstand im Museum zu finden ist u. ä.
- Es gilt nun, sich dem Lehrplan im Detail zuzuwenden. Bewährt hat sich in unserer Arbeit das Herausschreiben und Ordnen aller Lehrplanforderungen, die sich auf den Gegenstand des Schülerauftrages beziehen. Dem Ordnen der Lehrplanforderungen folgen Überlegungen zur Unterrichtsgestaltung, auf auszuübende Schülertätigkeiten, zur Einordnung der Stunde, in welcher der Schüler seine Forschungsergebnisse vorträgt, in die Ziele des Jahreslehrganges bzw. der Stoffeinheit, auf den Charakter der Ziele (Erkenntnisziele, Denk- und Arbeitsweisen, Erziehungsschwerpunkte), auf den zu behandelnden Stoff, einschließlich der vom Lehrplan für diese Stunde geforderten Begriffe und Merkzahlen.
- Wenn die Phase der Orientierung und Selbstverständigung abgeschlossen, das museale Material aufbereitet und die didaktische Funktion des Auftrages in der Unterrichtsstunde sowie seine Stellung im Erkenntnisprozess bestimmt ist, beginnt die Phase der schriftlichen Formulierung des Schülerauftrages. Dabei halten wir im wesentlichen folgende Gliederung ein:
- Angaben zur Klassenstufe, Stoff- oder Unterrichtseinheit, Stundenthema
- Kennzeichnung des Untersuchungsgegenstandes (Kurzform)
- Hinweise zur Orientierung des Schülers im Museum
- Arbeits- und Verhaltenshinweise
- Angaben zum Ausgangsniveau bzw. zur Motivierung der Schülertätigkeit
- Formulierung der Aufgaben und Zuordnung des notwendigen musealen Materials; Aufschlüsseln der Fragen in logische Schrittfolgen und, falls notwendig
- Hinweise für den Schüler auf später vorzunehmende Ergänzungen und verwendbare Zusatzmaterialien.
- Wir haben auch Hinweise für den Lehrer erarbeitet. Sie enthalten Angaben über den Inhalt des Auftrages und den möglichen Zeitpunkt seines Einsatzes, Lehrplanforderungen und die Kennzeichnung, welche davon mit dem Schülerauftrag erfüllt werden können, mögliche Varianten zur Gestaltung des Auftrages, Zusatzmaterialien, die den Lehrer in die Lage versetzen, tieferen Einblick in Erscheinungen und Ereignisse der Regionalgeschichte zu erhalten (das wurde vor allem von Absolventen und Lehrern, die erst seit kurzer Zeit in unserem Kreis arbeiten, begrüßt), Anknüpfungsmöglichkeiten an Vorleistungen anderer Fächer bzw. in früheren Klassenstufen Behandeltes, Lösungen, zu denen die Schüler gelangen sollen, Besonderheiten des regional- geschichtlichen Ereignisses und fach- wissenschaftliche Erklärungen.
- Die von den einzelnen Fachkommissionsmitgliedern erarbeiteten Schüleraufträge wurden gemeinsam in der Fachkommission beraten und Empfehlungen zur Verbesserung der inhaltlichen Gestaltung geprüft. Erfahrungen von Kollegen, die bereits mit solchen Aufträgen arbeiteten, wurden berücksichtigt.
- Die Schüleraufträge wurden abschließend im Kreisfachzirkel erläutert. Anregungen für die weitere Arbeit wurden entgegengenommen. Der Leiter des Heimatmuseums war dabei im Kreisfachzirkel gern gesehener Gast. Er gab bereits vorher Unterstützung bei der Erarbeitung der Aufträge, bei der Bereitstellung von Materialien und sicherte durch seine Mitarbeiter die Betreuung der Schüler im Museum.
Die vorgeschlagenen Schritte stellen kein starres Schema dar. Jeder Kollege kann entsprechend der jeweiligen Bedingungen der Klasse, der Situation in seinem Fach, dem Zustand der historischen Sachzeugen im Heimatmuseum das Vorgehen differenzieren.
Das Niveau der Erfüllung des Auftrages hängt in starkem Maße davon ab, wie der Schüler im Museum arbeitet. So müssen die Arbeitshinweise für einen Schüler der Klasse 5 ausführlicher sein als in den oberen Klassen. Der Schüler der Klasse 5 muss darüber informiert werden, dass er Schreib- und Zeichenmaterial ins Museum mitzunehmen hat. Er muss wissen, wie er mit den Sachzeugen umzugehen hat (,‚Berühre sie nicht mit der Hand!“).
Die Aufgabenstellung soll die Denktätigkeit des Schülers anregen und auf das Lehrplanziel ausrichten. Formale Schreib- und Zeichenarbeiten sind zu vermeiden. Bei relativ schwierigen Aufträgen ist dem Schüler durch die Art und Weise der Gestaltung des Auftrages größtmögliche Hilfe zu geben. Es besteht die Möglichkeit, sie mit Hausaufgaben zu verknüpfen, die der Einordnung, Systematisierung und Anwendung des erworbenen Wissens dienen. Dabei sind auch Hinweise auf bestimmte Hilfsmaterialien (Lehrbuch, Lexikon z.B.) notwendig.
Wird von einem Schüler der Klasse 6 z.B. gefordert, seine Ergebnisse in Form eines Kurzvortrages in der Stunde darzubieten, so ist von ihm in dieser Hinsicht keine Perfektion zu erwarten, aber die Reihenfolge der Aufgaben bzw. Teilfragen hilft ihm bei der Bewältigung dieser schwierigen Anforderung. Andererseits sollten auch orientierende, fachübergreifende Hinweise dazu dienen, in anderen Fächern erworbenes Wissen und Können anzuwenden.
Wie wird in unserem Kreis mit den Schüleraufträgen gearbeitet?
Kollegin Jähnig, Geschichtslehrerin an der Hermann-Matern-Oberschule Riesa, berichtete, wie sie in der Klasse 7 einen Schülerauftrag zur Unterrichtseinheit 6.1. einsetzte:
Schülerauftrag Geschichte
Klasse 7
UE 6.1. (1. Stunde: Deutschland unter dem Einfluß der französischen Revolution)
Untersuchungsgegenstand:
Karte und Übersicht über die sächsischen Bauernaufstände 1790
Orientierung im Museum:
Du findest die Karte in einem Glasschrank im 2. Stock des Heimatmuseums. Die Überschrift lautet: „Sächsischer Bauernaufstand
1790“
Arbeitshinweise:
Arbeite allein und selbständig, störe andere nicht!
Wenn Du eine Frage hast, wende Dich an einen Mitarbeiter des Museums.
Ausgangsniveau:
Du wirst im Geschichtsunterricht erfahren, dass die französische Revolution sich auch auf Deutschland auswirkte.
Die Bauern forderten die Abschaffung der Feudalrechte. In einer der nächsten Geschichtsstunden sollst du deinen Klassenkameraden darüber berichten, wie die Bauernaufstände von 1790 um Riesa verliefen.
Studiere in Ruhe die Karte über die Bauernaufstände 1790!
Löse dann folgende Aufgaben:
- Nenne die Ursachen des sächsischen Bauernaufstandes 1790!
- Nenne den Anlass des Aufstandes! Verwende zur Lösung dieser beiden Aufgaben den Text unterhalb der Karte!
- Welche Ziele verfolgte Seilermeister Geißler? Lies dazu den Inhalt der „Aufruhrschrift“ Geißlers rechts neben der Karte!
- Nenne den Ausbruchsort des sächsischen Bauernaufstandes und berichte über die Ausbreitung des Aufstandes (Stichpunkte)! Beachte dabei die roten Pfeile!
- Welche Dörfer unseres Kreises wurden vom sächsischen Bauernaufstand erfasst? Beachte die gelben Punkte!
- Nenne das Hauptaufstandsgebiet des sächsischen Bauernaufstandes! Es ist durch braune Farbe gekennzeichnet!
- Notiere kurz den Verlauf der Kämpfe! Beachte dazu die grünen Pfeile!
Hausaufgabe:
Vergleiche Deine erworbenen Kenntnisse mit dem, was im Lehrbuch zum sächsischen Bauernaufstand steht.
Stelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest!
Benutze für Deinen Vortrag in der Geschichtsstunde Deine schriftlichen Aufzeichnungen!
Hinweise für den Lehrer zum Schülerauftrag Geschichte Klasse 7
UE 6.1. (1. Stunde)
1. Lehrplanforderungen:
Lehrplan, S. 39:
„Überblick (Karte) über Volksbewegungen in Deutschland und deren Charakterisierung (Aktionen der Bauern für die Abschaffung der Feudalrechte — Vertreibung von Feudalherren; Steuerverweigerung und Streiks in den Städten).“
Lehrplan, S. 37:
„Für die weltanschauliche Erziehung gewinnt die zu vermittelnde Einsicht große Bedeutung, dass der Fortschritt auf die Dauer nicht aufgehalten werden kann.“
„Insgesamt muss der Unterricht in dieser Stoffeinheit dazu beitragen, den Schülern die geschichtsbildende Kraft der Volksmassen nachzuweisen, wie sie in dem zu behandelnden Zeitabschnitt besonders deutlich wird.“
2. Lösungshinweise:
- Ursache war der jahrhundertelange Klassengegensatz zwischen der herrschenden Feudalklasse und den ausgebeuteten Bauern.
- Anlass war die französische bürgerliche Revolution.
- Seilermeister Geißler aus Liebstadt forderte Ruhe und Frieden, Recht und Gerechtigkeit, wollte das gequälte Volk befreien und bildete eine Verschwörergruppe.
- Das sächsische Bauernheer betrug 20.000 Verschworene.
- Ausbruchsort: Liebstadt (Geburtsort Geißlers)
- Dörfer unseres Kreises, die durch den Bauernaufstand erfasst wurden: Seerhausen, Jahnishausen, Glaubitz, Grubnitz, Hirschstein, Ragewitz, Gröba, Colmnitz
- Hauptaufstandsgebiet war die Lommatzscher Gegend.
Kollegin Jähnig ging in folgenden Schritten vor:
1. Schritt
Auswahl der Schüler: Obwohl alle Schüler der Klasse in der gemeinsamen Arbeit systematisch an die selbständige Auswertung historischer Karten herangeführt wurden, wählte ich für den Schülerauftrag leistungsstarke Schüler aus, da die Klasse an Aufträge dieser Art und dieses Umfangs noch nicht gewöhnt war. Ich beauftragte zwei Schüler, den Schülerauftrag gemeinsam zu erfüllen und die Ergebnisse auch gemeinsam vorzutragen.
2. Schritt
Ausgabe des Schülerauftrages: Die Schüler erhielten den Schülerauftrag rechtzeitig, d.h. drei Wochen vor dem geplanten Einsatztermin. Es wurde ihnen mitgeteilt, dass sie zwei Wochen Zeit für die Erfüllung des Auftrages und dann in einer Konsultation ihre Arbeitsergebnisse vorzulegen hätten.
3. Schritt
Kontrolle der Erfüllung des Schülerauftrages durch den Lehrer und Einfügung des Schülerauftrages in den Stundenablauf: Dieser Schritt ist besonders wichtig, weil er den Erfolg des geplanten Vorhabens garantiert. Bis zur Konsultation hatte ich die Stunde, in der der Schülerauftrag eingesetzt werden sollte, geplant. Zunächst war das Ziel der Stunde festzulegen. Ich formulierte es so:
„Als in Frankreich die bürgerliche Revolution zum Sieg der kapitalistischen Ordnung führte, bestand in Deutschland noch die feudale Gesellschaftsordnung, die schwer auf den unterdrückten Volksmassen lastete. Deshalb kam es in Deutschland unter dem Einfluss der französischen Revolution zu zahlreichen Erhebungen des Volkes gegen den Feudalismus. Auch in unserem unmittelbaren Heimatgebiet brach 1790 ein Bauernaufstand aus, der — wie auch die übrigen Erhebungen — mit einer Niederlage endete. Nur in den von Frankreich besetzten Gebieten links des Rheins wurde der Feudalismus aufgehoben.“
In der Konsultation wurde den beiden Schülern der Stundenablauf skizziert, so dass ihnen klar wurde, dass sie den zweiten Teil der Stunde zu gestalten hatten.
Beraten wurde mit den Schülern auch, wie sie — anknüpfend an die Ergebnisse der Auswertung der Lehrbuchkarte — zu ihrem Anliegen kommen können. Weiterhin wurde vereinbart, dass die Schüler vor ihrem Vortrag der Klasse orientierende Fragen stellen, die die Klassenkameraden auf ihrem Diskussionszettel notieren sollen. Die Auswertung dieser Fragen sollte ebenfalls von den beiden Schülern geleitet werden.
4. Schritt
Einsatz des Schülerauftrages in der Stunde: Nachdem mit Hilfe der Lehrbuchkarte, S. 146, die internationale Bedeutung der französischen Revolution wiederholt und im Unterrichtsgespräch die Ursache für das starke Echo, das die französische Revolution in den anderen Ländern auslöste, festgestellt worden war, wurde mit Hilfe der Karte, S. 152, erarbeitet, wie die Volksmassen im feudal unterdrückten Deutschland auf die französische Revolution reagierten. Jetzt erhielten die beiden Schüler das Wort. Der erste verknüpfte mit folgenden Worten das soeben Gelernte mit der nun folgenden Aufgabe: „Ihr habt gesehen, dass Sachsen zu den Unruhegebieten gehörte. Hier fand 1790 ein großer Bauernautstand statt, über den wir euch berichten wollen. Wir haben das Material für unseren Vortrag im Heimatmuseum Riesa gesammelt. Macht euch bei unserem Vortrag Notizen zu folgenden Fragen:
- Nennt die Ursachen des Bauernaufstandes!
- Nennt den Anlass des Bauernaufstandes!
- Nennt den bedeutendsten Führer des Bauernaufstandes!
- Nennt einige Forderungen der Bauern aus den „Aufruhrschriften“!
- Wo nahmen die Kämpfe ihren Anfang?
- Welche Dörfer aus unserem Kreis waren beteiligt?
- Wie gingen die Aufstände aus?
- Nennt die Ursachen für diesen Ausgang!“
Der zweite Schüler trug nun den zusammenhängenden Vortrag über den sächsischen Bauernaufstand vor. Die Klassenkameraden stellten ihm anschließend noch einige Fragen und beendeten ihre Notizen.
Der erste Schüler leitete dann das abfragende Untrrichtsgespräch. Anschließend nahm der Unterricht — ohne dass ich noch einmal das soeben Dargebotene wiederholen musste — seinen weiteren Verlauf.
5. Schritt
Auswertung des Schülervortrages: Die erste Auswertung des Schülervortrages erfolgte am Ende dieser Stunde unter Einbeziehung der Klasse und führte zur Erteilung der Noten für die beiden Schüler. Die zweite Auswertung erfolgte mit den beiden Schülern. Sie erklärten, dass sie keine Schwierigkeiten bei der Erfassung der Aufgabenstellung gehabt hätten. Außerdem hätte der Mitarbeiter des Museums ihnen bereitwillig alles erklärt, was ihnen unklar war. Sie hätten ihren Auftrag aber im wesentlichen allein lösen können. Beide waren zum erstenmal im Heimatmuseum und waren erstaunt, was es dort alles zu entdecken gab. Es hätte Spaß gemacht, dort herumzukramen, und beide würden einen Auftrag dieser Art gern wieder übernehmen, obwohl sie anfangs nicht begeistert waren. Der Kern der Aussagen der beiden Schüler (hier etwas gekürzt wiedergegeben) bestand in folgendem: Sächsischer Bauernaufstand 1790.
Die Ursachen des Bauernaufstandes lagen in dem jahrhundertelang bestehenden Widerspruch zwischen dem herrschenden Feudaladel und den ausgebeuteten Bauern.
Die Kunde von der Aufhebung der Adelsherrschaft durch die bürgerliche Revolution 1789 in Frankreich war der Anlass für die Aufstände 1790 unter den sächsischen Bauern und besonders unter den Bauern in der Lommatzscher Pflege.
Einer der bedeutendsten Führer des Aufstandes war der Seilermeister Geißler. Er fasste die wesentlichsten Forderungen der Bauern in seinen „Aufruhrschriften“, die folgende Ziele verfolgten:
- Ruhe und Frieden in Sachsen
- Recht und Gerechtigkeit
- Bestrafung des Unrechten
- rechter Wohlstand soll eingeführt werden
- Weisheit soll blühen
- die hohen Herren sollen das Unrecht sehen
Ihren Anfang nahmen die Aufstände in Dresden, und zwar am 18. Juni 1790. Die Aufstände verbreiteten sich in Sachsen sehr schnell. Und zwar waren in den Aufstand die Städte Dippoldiswalde, Riesa, Oschatz, Wurzen, Nossen, Döbeln, Waldheim und noch viele andere Städte einbezogen.
Von unserem Kreis waren die Dörfer Hirschstein, Merzdorf, Riesa, Gröba, Glaubitz, Seußlitz, Stösitz und noch einige andere am Aufstand beteiligt.
Das Hauptaufstandsgebiet wurde im Norden von Gröba, im Süden vom Muldenaufstandsgebiet, im Osten von Meißen und im Westen von Waldheim begrenzt. Die Kämpfe des Bauernaufstandes nahmen ihren Anfang in Dresden und breiteten sich über Meißen nach Riesa aus. Von Lommatzsch dann in Richtung Petzschwitz und in Richtung Stösitz. Im allgemeinen wurden die Bauern in Sachsen von den Stadtbewohnern nur wenig unterstützt So kam es, dass die mehr als 5.000 aufgebotenen Soldaten den Aufstand schon Anfang September niederschlagen konnten.
Der Leiter des Heimatmuseums berichtete uns, dass alle Schüler, die mit Aufträgen dieser Art ins Museum kamen, sehr diszipliniert arbeiteten und mit wachsendem Interesse ihre Aufgaben erfüllten. Kollege Giehrisch, Geschichtslehrer an der Karl-Marx-Oberschule Riesa, schreibt:
„Aufträge dieser Art sind von großer Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung. Die Schüler waren begeistert, ohne Lehrer im Museum arbeiten zu dürfen. Die Aufträge wirkten in jedem Fall stimulierend!“
Abschließend sei gesagt, dass wir auf dem beschrittenen Wege weiterarbeiten werden. Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es günstig ist, wenn die Initiative bei der Ausarbeitung von Schüleraufträgen von der Schule — auf der Basis der Lehrplanforderungen — ausgeht und durch das Museum eine entsprechende Unterstützung erfährt. Wir sehen in dem dargelegten Vorgehen eine Möglichkeit, die Schülerpersönlichkeit weiterzuentwickeln.
Anmerkungen:
/1/ Vgl. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Berlin: Dietz Verlag 1976. S. 48/49.
/2/ Vgl. Schmidt, J.: Zur Arbeit mit Schüleraufträgen im Museum für Deutsche Geschichte. Gesch.-Unterr. u. Staatsbürgerkd.; Berlin 14 (1972) 4, S. 306 bis 314.
/3/ Weck, H.; Thiem, W.: Geistige Aktivität der Schüler im Unterricht (I). Aktivität und methodische Grundformen. Dt. Lehrerztg., Berlin (1975) 36, DLZ-Konsultation, S. 2.
/4/ Vgl. Schmidt, J.: Zur Arbeit mit Schüleraufträgen im Museum für Deutsche Geschichte. a.a.O. S. 307.
Letzte Aktualisierung: 19. Dezember 2021